Berlinale 2016 – Festivaltagebuch

Mit reichlich Verspätung und ausreichend Verdrängung noch das Berlinale-Tagebuch. Es kam der Urlaub dazwischen, der auch die Aufbereitung und das sanfte Nachschwingen der Filme jäh unterbrochen hat.

Makhdoumin | A Maid for Each @ Colosseum File under: Gesellschaftskritik

In Beirut hat praktisch jeder Haushalt eine Haushaltsdame, die wird in Küchennähe in einer fensterlosen Nische geparkt, oder schläft auf dem Balkon. Mit Einblicken in eine Vermittlungsagentur. Und mit Stimmen aus dem Off, die zeigen wie wichtig für viele Menschen diese Haushaltshilfe ist. Da sind Frauen, die deswegen arbeiten können, ein Staat, der kein Pflegeprogramm hat, ist auf die Pflege innerhalb der Familie angewiesen, so dass es vor allem die Alten sind, die auf diese Arbeitskräfte angewiesen sind, die seltsame Entrücktheit von den Personen hinter diesem Job, die zwar immer da sind, aber doch auch nur wie ein Schatten über dieser Wohnung liegen. Und da sind die Frauen aus armen Ländern, die keine andere Wahl haben als dort zu arbeiten und dort zu bleiben. Persönliche Präferenzen und Wünsche sind in diesem Arbeitsmarkt nicht von Interesse. So blieben sie wohl auch in den Haushalten immer eine Fremdem, der Film lässt sie auch nicht zu Wort kommen, nur einmal im Vermittlungsbüro hinter der Kamera.
Ein Staat der sich nicht kümmert, verursacht am Ende auf beiden Seiten Verlierer.

Goat @ Zoo Palast 1 File under: Burschenschaften

Wie heißen diese „Burschenschaften“ an amerikanischen Unis? Studentische Verbindungen? Um das Innenleben und die Aufnahme geht es. Und von einem nach einem Überfall traumatisierten Jugendlichen, der glaubt, sich dieser Erniedrigung hingeben zu müssen, vermutlich um wieder Teil von etwas zu sein, sich selbst den Ängsten zu stellen oder oder. Und wie immer bleibt ein Schwacher auf der Strecke. Ein Film über Erniedrigung und über das Entstehen von männlicher, weißer Gewalt. Beruhend auf einer wahren Begebenheit ist die Erkenntnis wohl klar, wie es an amerikanischen Unis wohl noch immer so aussieht.

Kater | Tomcat @ Colosseum File under: Liebe auf dem Wartegleis

Ausgezeichnet mit dem Goldenen Teddy im Rahmen der Berlinale ein Beziehungsdrama zweier Männer, die auf Grund eines unvorhersehbaren Gewaltausbruches ihren eigenen unbekannten Seiten stellen müssen. Ein Film über die Liebe und das Leben und das meine ich dann durchaus positiv.

Aru michi | A Road @ CineStar File under: Coming-of-Age

Ein preisprämierter japanischer Coming-of-Age Film, der die Umstände, unter denen dieser Film entstand, gleich miterzählte. Und die Erkenntnis, dass einem beim plötzlichen Erwachsenwerden viele Dinge, für die man so brannte, plötzlich so weit weg vorkommen. Besser als vorab erwartet. Intelligent gemacht mit echten Freunden als Schauspieler und das merkt man dem Film nur sehr sehr selten an. So kann man seinen ersten Film durchaus machen.

Anders als die Andern | Different from the Others @ Zeughauskino File under: schwul, stumm, klavierend

Der wohl älteste schwule Film wo gibt (1919), mit einer Liveklavierbegleitung und ein Einblick in das Kino und eine Lebenswelt weit vor der eigenen Zeitrechnung. Schwul zu der Zeit oder in Teilen dieser Welt heutzutage ist wohl leider im Normalfall immer noch beklemmend und mit schlimmen Folgen für die Liebenden. Im Auge derer oft ein nicht so lebenswertes Leben.

National Bird @ Cubix File under: Drohnenkrieg

Insiderwissen von Leuten an den Joysticks und Bildschirmen, die mitten im Krieg Feierabend haben und nach Hause gehen und mit dem Krieg, wie man ihn kennt, eigentlich nichts zu haben (dürften). Denn natürlich sieht die Wirklichkeit anders aus, der Krieg im Kopf endet nicht am Feierabend, die fatalen Fehleinschätzungen am Bildschirm, der hochnäsige Auftritt einiger bekannt durch Wikileaks und die Erkenntnis, dass man im Drohnenkrieg nicht immer nur die Richtigen erwischt, verfolgt die Betroffenen bis in die Nacht. Und so gab es im Film die erste Frau, die ein Postkriegstrauma anerkannt bekam, obwohl sie nie „im Krieg war“. Politisch wie menschlich wichtig. Aber das wird auch Europa nicht davon abhalten, sich eigene Drohnen zuzulegen. Und wenn man dann die Opfer dieser Drohnenangriffe sieht und mit welcher Gelassenheit die Teilweise umgehen – weil sie es auch schlicht lernen mussten – dann wundert man sich über den Zustand dieser Welt nicht mehr all zu sehr.

24 Wochen | 24 Weeks @ Haus der Berliner Festspiele File under: Tränen

Ohje. So viele Tränen, schluchzende Menschen und schnäuzen. An einem Punkt in diesem Film, er war ziemlich weit vorne, hatte mich der Film und ließ mich nicht mehr los. Und führte mich ganz nah ran an bestimmte Menschen und ein Teil der Tränen floss dann auch für sie und wegen der Geschichten, die mir aus Schutz so abstrakt und fremd sind, aber dann plötzlich näher und nachfühlbar wurden und den Film noch schwerer machten. Diesen Film kann und sollte nicht jeder sehen.

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