Über Marokko und Fotos (aber ohne Fotos)

Da bereist so eine Fotografin mit Kind und 7 anderen Erwachsenen, so entnehme ich das ihrem Blog, praktisch kurz nach mir die gleiche Route durch Marokko und bringt Fotos mit, die eine Stimmung präsentieren, die – vor allem in Marrakech – nicht im geringsten dem entsprechen, was ich gesehen und vor allem gefühlt habe. So bunt und schön und vielfältig Marrakech auch sein mag, eines hat die Stadt bestimmt nicht: Zuckerguss auf allem. Die Stadt ist laut, eng, intensiv, reizüberflutend and the scissors between the poor and the rich becomes bigger and bigger. Wenn man dort in den Souks in die Zahnarztpraxis reinschaut / reinschauen kann, dann weiß man auch, dass dieses Land gar keinen Zuckerguss will und braucht (außer auf den Süßigkeiten, dort dann aber um so mehr). Entsprechend groß ist der Wunsch, Geld der Touristen zu bekommen, was auch sehr gerne und mit viel Eifer überall betrieben wird.
Und zeitgleich ist das Tempo dort etwas langsamer, trotz der Hektik bedingt durch Enge und Reize, lädt das Land permanent ein, sich irgendwo hinzusetzen und auf gar wunderschönen kleinen Plätzen zwischen hohen Häusern saßen wir und tranken Tee. Aber dazu musste man das laute und intensive immer wieder erstmal durchdringen und -schreiten. Sogar in der total entspannten Stadt Essouira.
Entstanden ist da also eine Fotoreihe und Kommentarschlange, die gar nicht anders sein könnte, als meine Erfahrungen. Vielleicht ist es der Schutz der großen Reisegruppe, vielleicht hatten Sie einen Reiseführer, der Ihnen alles zeigte und vielleicht hatten Sie einfach auch genug Geld für die Läden, in die er sie brachte – so wie meine Lieblingskaftanfamilie in einem Museum – und ich dagegen in aller Unbedarftheit vollständig überwältigt und auch überfordert von Marrakech, so dass diese beiden Reiseberichte in unterschiedliche Richtungen gehen würden.
Es ist eben nicht alles traumhaft und wunderwunderschön dort. Vielleicht kann man sich das Gefühl erkaufen, vielleicht kann man sich daran gewöhnen und alles was nicht wunderwunderschön ist, irgendwie ausblenden. Vielleicht braucht es ein kleines Kind, um anders auf die Welt zu gucken – positiver gar? – oder vielleicht ist das auch einfach ein gewaltiger Unterschied in der Fotografenperspektive. Die eine hat gelernt, jedes Foto wie eins mit Zuckerguss aussehen zu lassen, ich dagegen habe in Marrakech praktisch gar nicht fotografiert, weil nicht ein Foto in der Lage gewesen wäre, das zu transportieren, was ich dort gefühlt habe. Und ich würde dann aber auch gar nicht so tun wollen als ob.
Und die Esel dort überall am Straßenrand mit ihren traurigen Augen, ihren gesenkten Köpfen und wie alle ohne richtig viel frische Luft, sind eben genau nicht traumhaft, sondern bittere Realtität.

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One Response to “Über Marokko und Fotos (aber ohne Fotos)”

  1. barbara writes:

    wer malerische reisefotos im sinn hat, macht malerische reisefotos und reproduziert sein kontingent malerischer reisefotos, das er vorher schon im kopf hat. zum glück steht dann meist dabei, wo das noch mal war, weil so natürlich die ganze welt zum verwechseln ähnlich brutal schön aussieht und der an die wand gereiste bekanntenkreis ist am staunen.
    würde sagen, ein kind erweitert bloß das kontingent an klassischer reisefotografie, das man im urlaub nachstellen möchte. statt packesel im sonnenuntergang, wäre es halt am schönsten das kleine säße noch drauf. entscheidend ist nur die absicht schöne fotos mitzunehmen, die den selektiven fotografenblick ausmacht und vermutlich auch das erleben der gesamtsituation noch ein bisschen stärker verklärt.
    aber verklärt sind touristen alle und touristen mit kameras sind am schlimmsten und kameras haben sie alle.
    wenn man das hässliche auf seinen reisebildern nicht bewusst ausblenden möchte, romantisiert man ja ganz genauso, nur halt was anderes.
    wer also lieber minztee trinkt statt überall romantischen oder aber scheinbar realistischeren reisefotos nachzujagen, macht nicht so viel verkehrt.

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