Immer voll in die Erregungskerbe

Der Graben zwischen den den bösen Linken und den „normalen Bürgern“ scheint mir mittlerweile auch unüberwindbar groß zu sein. Zumindest, wenn man sich selbst mit unnötigen Kommentarspalten quält.
Da sind auf der einen Seite die linksversifften Meinungsdikaktoren, die auch mal offen über die Gefahren des Patriotismus nachdenken, also zum Glück, aber sie sind dann direkt die, die das massenweise Fahnenschwenke verbieten wollen bzw. direkt alles verhindern wollen, was Spaß macht.
Dabei habe ich in meinem Umfeld mal wieder sehr gut gemerkt, dass man sehr gut mitfiebern und -feiern kann, ohne giftiges Billigramschzeug in schwarz-rot-gold. Geht ja auch im Rest der Fussballsaison größtenteils ganz gut. Aber wer das auch nur mal denkt und laut ausspricht, zieht gleich den Mob auf sich. Etwas kritisch anmerken, ist schon immer gleich der Versuch der Zensur. So sehr fühlen sich die Menschen schon in die Ecke gedrängt und verängstigt.
Und die wenigen kritischen Stimmen werden mit so einer massiven Wucht der Mehrheit angegangen, dass man schon jetzt erahnen kann, wie unangenehm der „neue“ und „unbeschwerte“ Patriotismus ist. Er ist nämlich genau das, was an ihm kritisiert wird: Er verzeiht nicht, ist unnachgiebig, schnell verletzt und lässt nichts neben sich zu. Wer etwas kritisches anmerkt, packt automatisch die Nazikeule aus und drängt alle angeblich in eine Ecke, aus der dann kräftig zurückgekeilt wird. Aber die Nazikeule verhält sich da wie die Verbote, beides wurde gar nicht angedacht. Ich glaube, die Angst vor der Nazikeule schwingt in den Fahnenschwingern mit. Sie sind die, die die Situation nicht bewältigen können und brauchen eine kritische Minderheit, um ihre Angst zu entladen.
Und nun aber die Erregungskerbe. Der Journalismus hat eins verlernt: abzuwägen. Es wird immer hart formuliert, der Goucho-Tanz ist eine „Verhöhnung“ (SpOn), bei der FAZ wird gleich das gesammte Bild der „weltoffenen, toleranten Nation“ verspielt usw. Kein Artikel bettet den Tanz mal ein, wirft einen Blick auf die Fankultur und niemand hält so ein Tänzchen einfach mal aus – ist nämlich Sport und da darf man sich auch mal freuen, dass man jemanden auf sportlichem Wege geschlagen hat. Sicher ist der Gewinn wie ein Brennglas auf dieser Mannschaft. Der Tanz war vor 6 Jahren nicht lustig, aber da hatte sie verloren, und ist jetzt noch immer nicht lustig, aber jetzt sie halt gewonnen und damit wird das zumindest für die deutschen Medien ein Riesending. Es folgen Pressespiegel, Folgeartikel und man hat plötzlich das Gefühl, dass diese Showeinlage sogar Relefant wäre. Aber das Orakel spricht eine deutliche Sprache:

Aber die Empörungskerbe ist da. Die einen haben endlich den Beweis, dass es sich um Nationalismus bei diesem Patriotismus handelt, die anderen haben den Beleg, dass die „linksversifften“ Medien wirklich alles verbieten wollen. Nach den prügelnden Polizisten letzte Woche und dem noch unbekannten Skandal nächste Woche haben wir auch leider keine Zeit mehr, das Thema mal nüchtern und sachlich zu beleuchten und einzusortieren. Die Suppe kann nicht abkühlen und muss von allen siedend heiß ausgelöffelt werden. Die Themen werden so einseitig dahergeschrieben wie auch kommentiert, dass eine Versöhnung der gesellschaftlichen Lager unmöglich erscheint. Und die Mehrheit, die sich als in die Ecke gedrängte Minderheit versteht, hat nich mal genügend Zeit zu verstehen, dass sie in ihrer Größe auf dem Weg dazu sind, kritisches Denken und kritische Schriften immer unmöglicher zu machen. Und die Kritiker machen es ihnen zu leicht, weil sie sich lieber mit einem Freudentänzchen beschäftigen als mit den relefanten Themen rund um diese WM.

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